Nadja Radojevic, Geschäftsführerin ifs Internationale Filmschule Köln
Nadja Radojevic stammt aus Niedersachsen. Ihr Studium an der Fachhochschule Potsdam schloss sie mit einem Diplom in Kulturarbeit/Kulturmanagement ab und absolvierte später ein berufsbegleitendes MBA-Studium in Digital Media Law and Management an der Filmuniversität Babelsberg Konrad Wolf und der Universität Potsdam. Erste berufliche Stationen erfolgten an der Film Society of Lincoln Center in New York und bei der Master School Drehbuch in Berlin.
Von 2005 bis 2020 war sie am Erich Pommer Institut in verschiedenen Funktionen tätig – ab 2015 als Geschäftsführerin und Direktorin Weiterbildung. Im Mai 2020 übernahm Nadja Radojevic die Geschäftsführung der ifs Internationale Filmschule Köln.
Sie ist Mitglied der Europäischen Filmakademie und ehemalige Vorstandsvorsitzende und Ehrenmitglied von Women in Film and Television Germany e.V.
Und als Sprechinfo: Radojevic wird auf der 3. Silbe („je“) betont.
Liebe Nadja, Du hast selber Kinder, die noch relativ klein sein – wie kriegst Du und Dein Partner die Vereinbarkeit von Beruf und Familie hin?
Mein Mann übernimmt den Großteil der Betreuungsarbeit und auch der Arbeit im Haushalt, so dass ich mich auf meinen Job fokussieren kann. Gleichzeitig versuche ich, so viel Zeit wie möglich mit unseren Kindern zu
verbringen und entsprechend haben wir unseren Alltag organisiert. Wir sind vor viereinhalb Jahren von Berlin nach Köln gezogen und wohnen in der Nähe der ifs. Das war eine bewusste Entscheidung, um vor und nach einem vollen Arbeitstag noch Zeit mit den Kindern verbringen zu können. Das klappt ganz gut, wobei ich natürlich auch oft unterwegs bin auf Abendterminen oder auf Geschäftsreisen..
Geschäftsführerin ist vermutlich eine Vollzeitstelle, wenn nicht noch mehr.
Wie läuft es für Dich an der IFS??
Ich bin zumeist zu den regulären Geschäftszeiten im Einsatz, aber kann natürlich auch flexibel die Betreuung übernehmen, wenn nötig. Und wenn viel los ist, stehe ich morgens sehr früh auf, um schon mal die wichtigsten Dinge zu erledigen, bevor ich den Rest der Familie wecke. Das funktioniert für mich besser als mich spät abends noch an den Schreibtisch zu setzen. Da ich so nah an der ifs wohne, arbeite ich nur sehr selten remote.
Wie häufig sind Überstunden, Abendtermine, Reisen zu Festivals u.a.m.?
Als Geschäftsführer*in hat man üblicherweise keine vertraglich geregelte Wochenarbeitszeit und in dieser Logik gibt es auch keine Überstunden. Seitdem ich Kinder habe, versuche ich das Arbeitspensum stärker zu beschränken, aber es bleibt Vollzeit plus X. Abendtermine kommen in unterschiedlicher Frequenz vor – manchmal ist es ein Termin pro Woche oder auch mal keiner, dann wiederum ballt es sich. Was Geschäftsreisen betrifft, variiert das von Jahr zu Jahr. Es ist natürlich schon ein großer Vorteil, an einem Medienstandort wie Köln zu arbeiten, an dem einige wichtige Festivals und Fachveranstaltungen direkt vor Ort stattfinden.
Und wie ist das mit Deinen Mitarbeiter:innen und Vereinbarkeit?
Der Mehrheit meiner Kolleg*innen leistet Care-Arbeit für Kinder oder andere Angehörige und entsprechend arbeiten viele in Teilzeit. Wir versuchen als Organisation so familienfreundlich wie möglich zu sein. Wir bieten flexible Arbeitszeiten, mobiles Arbeiten und achten z.B. bei Meetings darauf, dass sie so terminiert werden, dass alle teilnehmen können. Wichtig ist mir auch, dass Führungspositionen und Teilzeit-Arbeit sich nicht ausschließen. Tatsächlich arbeiten viele unserer Abteilungsleiter*innen – Frauen und Männer – in Teilzeit und das sehr erfolgreich.
Habt Ihr Studierende mit Kindern bzw. Familienverpflichtung?
Ja, wir haben einige Studierende mit Kindern und hier haben wir gelernt, dass die Planbarkeit wichtig ist, d.h. dass z.B. Drehtermine möglichst früh feststehen sollten, damit die Betreuung der Kinder entsprechend organisiert werden kann. Ebenfalls gibt es für Studierende mit Kindern die Möglichkeit, die Bearbeitungszeiten von Prüfungsleistungen, wie beispielsweise Hausarbeiten, zu verlängern. Die jeweiligen Fachbereiche stehen in engem Kontakt mit „ihren“ Studierenden und können so individuell auf persönliche Herausforderungen reagieren. Wir sind bei dieser Thematik aber auch noch nicht perfekt aufgestellt und arbeiten daran, uns weiter zu verbessern.
Stehst Du darüber im Austausch mit den Leitungen der anderen Filmhochschulen oder ist so etwas noch kein Thema?
Wir sind regelmäßig im Austausch und bereits 2018 – also noch vor meiner Zeit an der ifs – gab es eine Initiative der deutschen Filmhochschulen zu mehr Gendergerechtigkeit mit einem gemeinsamen Paper, in dem auch die Vereinbarkeit von Beruf und Familie thematisiert wird.
Ich habe mich sehr gefreut, Dich sofort für eine Zusammenarbeit gewinnen zu können, für unsere Veranstaltung Modern Film Family (15.3.24). Wie wichtig ist dieses Thema für Dich persönlich und als Filmschulchefin?
Dieses Thema liegt mir sehr am Herzen, denn ich möchte, dass die Medienbranche auch für Menschen mit Familienverpflichtungen ein attraktiver Arbeitsbereich bleibt. Momentan besteht die Problematik, dass viele Menschen die Branche verlassen, wenn sie Kinder bekommen oder aus den Setberufen in Bereiche der Branche wechseln, die ein stabileres Arbeitsumfeld ermöglichen. Viele standen und stehen weiterhin vor der Entscheidung “Kind oder Karriere“ und das darf nicht sein! Auch wenn wir momentan in der Branche herausfordernde Zeiten erleben, bin ich davon überzeugt, dass wir mittelfristig wieder einen Fachkräftemangel beklagen werden. Die Baby Boomer-Generation geht in Rente und viele Leute verlassen die Branche auf Grund der schwierigen Arbeitsbedingungen und der momentan schlechten Auftragslage. Aber es werden auch wieder besser Zeiten mit einer höheren Auftragslage kommen. Und nur wenn wir die Arbeitsbedingungen verbessern und wir uns neuen Modellen, wie beispielsweise Job Sharing, öffnen, werden wir gut ausgebildete Menschen in unserer Branche halten und neue Menschen langfristig für unsere Branche gewinnen können. Unsere gemeinsame Veranstaltung „Modern Film Family“ hat ja gezeigt, dass es bereits erste gute Ansätze gibt und die Bereitschaft da ist, neue Modelle auszuprobieren. Die Entwicklungen sind noch relativ am Anfang, aber wir müssen als Branche an dieser Thematik dranbleiben und die Einführung neuer Arbeitsformen forcieren.
Mein Wunsch ist es, dass wir Menschen, die Berufe in den audiovisuellen Medien ergreifen wollen, zukünftig in eine Branche entlassen, in der Karrieren in Setberufen auch mit Kindern oder anderweitigen familiären Verpflichtungen nicht nur möglich, sondern selbstverständlich sind.
Was denkst Du, wie lange das noch dauern kann?
Ich weiß es nicht, aber hoffe, dass wir als Branche diesen notwendigen Wandel so schnell wie möglich herbeiführen.
Filmhandlungen können inspirieren und Filmfiguren Vorbilder sein. Fällt Dir spontan eine deutsche Film- oder Fernsehproduktion ein, in der Vereinbarkeit von Familie und Beruf – egal ob Kinder oder ältere Angehörige – zentral oder am Rande auf eine gute Art dargestellt wird?
Hm, ehrlich gesagt so spontan nicht, aber ich kenne natürlich auch nicht alle deutschen Produktionen im Detail. Ich würde mir mehr Geschichten wünschen, die von engagierten Vätern handeln, die – genau wie Mütter auch – zwischen Job und Familie jonglieren mit allen Höhen und Tiefen. Vater-Figuren, die einen gleichberechtigten Teil der Betreuungsarbeit übernehmen oder auch Alleinerziehende sind, kommen bislang viel zu selten vor.