„Wir organisieren es so, dass immer ein Familienmitglied in charge ist“

Christiane Buchmann, freiberufliche Kamerafrau DoP

(English version)

Christiane Buchmann, geboren in Eltville / Hessen, wohnt in Hamburg, verheiratet, ein Sohn (9) und eine Tochter (6).
 Ausbildung zur Mediengestalterin Bild und Ton, Diplom Film/TV Kamera an
 der FH Dortmund, Auslandssemester an der internationalen Filmhochschule EICTV (Escuela de Cine y TV) in Kuba, M.A. Bildgestaltung an der Hamburg Media School.

Ab 2000 Filmprojekte als Kameraassistenz, Beleuchterin, Kamera Operator, 2nd unit Kamerafrau und Gimbal Operator. Seit 2012 Director of Photography für Reihen (Tatort: Die Kälte der Erde), Serien (Pfefferkörner, SOKOs, Großstadtrevier), Kinofilme (Wo kein Schatten fällt) Werbung, Musikvideos, Hochschul- und freie Produktionen.

Christiane Buchmanns Webseite
Christiane Buchmanns Agentur: Gottschalk Behrens Unkelbach
Christiane Buchmann im BVK
Christiane Buchmann bei den Cinematographinnen
Christiane Buchmann bei crew united

Liebe Chrissi, lass uns mit Deinem persönlichen Hintergrund beginnen. Kannst Du ein bisschen von Dir erzählen?

Ich bin im Rheingau aufgewachsen, in Eltville einer Kleinstadt bei Wiesbaden. Meine Schwester ist zehn Jahre älter und mein Bruder acht Jahre älter, so kam ich noch als Nesthäkchen hinterher. Meine Eltern gehören zur Kriegsgeneration, sie kamen als Kriegsflüchtlinge aus Schlesien und dem Sudetenland. Sie waren richtige „Arbeitstiere“, haben sich durch Fleiß viel aufgebaut, auch mit dem Ziel, uns Kindern einmal etwas hinterlassen zu können.

Nachdem wir Kinder da waren hat meine Mutter ihren Job im Reisebüro aufgegeben. Die Großeltern hatten Landwirtschaft betrieben und meine Mutter hat dann im Feld mitgearbeitet. Sie haben Obstplantagen bewirtet und alles am Strassenrand, an einem kleinen Stand verkauft, wo wir als Kinder oft schon mitgeholfen haben.

Meine Mutter wollte, dass uns Kindern die Welt offen steht – und so war es ihr wichtig, dass
wir die höchsten Bildungsabschlüsse machen – etwas was ihr selbst verwehrt worden war.
Meine Schwester ist Gymnasiallehrerin geworden und mein Bruder studierte zunächst, aber machte dann eine Ausbildung zum Mediengestalter Bild und Ton in der Medienbranche. Heute arbeitet er als Cutter beim ZDF im aktuellen Bereich.

Und wie kamst Du zur Filmbranche?

Mein Vater hätte mich gerne als Steuerberaterin gesehen, aber nach einem Schulpraktikum in einer Bankfiliale war schnell klar, dass es etwas ganz anderes werden musste. Nach dem Abi habe ich mich dann auf unterschiedliche Praktika im Filmbereich beworben. Ich bekam einen Anruf und es wurde mir ein Platz als Wohnmobilfahrerin von Sonja Kirchberger bei einem TV Film angeboten. Ohne zu wissen ob ich mit meinem Führerschein überhaupt Wohnmobile fahren darf hab ich sofort zugesagt und stand eine Woche später an meinem ersten Spielfilmset.

Durftest Du denn Wohnmobile fahren?

Ja! Ich hatte meinen Führerschein während eines Auslandsschuljahrs in England gemacht. Der war einfach nur ein DIN A4 Zettel und es war zunächst nicht ganz zu erkennen, was er beinhaltete. Aber letztendlich war er dann glücklicherweise meine Fahrberechtigung, auch für Wohnmobile.

Und wie gefiel es Dir in Deiner ersten Filmproduktion?

Die Stimmung und die Arbeit am Set haben mich schwer beeindruckt, ich hatte u.a. ein Walkie-Talkei und durfte mit absperren – ich glaube ich habe die Sets so verteidigt als ob es um Leben
und Tod ging!
Danach machte ich eine Ausbildung zur Mediengestalterin Bild und Ton bei BSB Film, einer Wiesbadener Filmproduktion die damals viel fürs öffentlich rechtliche Kinderfernsehen, Reisemagazine und Dokus produzierte. Es war ein kleines, sehr feines Team wo ich mich sehr wohl gefühlt habe.

Ich betreute kleine Schnittarbeiten und war als Tonfrau und Kameraassistenz mit auf den Drehs. Später durfte ich manchmal die B-Kamera übernehmen und auch kleine Sachen selber drehen; da begann meine Passion für die Kameraarbeit.

Nachdem ich die Ausbildung abgeschlossen hatte studierte ich zunächst Kamera an der FH Dortmund, ich arbeitete an vielen unbezahlten Studentensets und machte ein Kamerapraktikum im Verleih bei MBF Filmtechnik. In der Zeit bekam ich auch ein Stipendium für den Austausch mit der Filmhochschule EICTV in Havanna / Kuba, eine unbeschreiblich schöne Zeit, wo ich viele tolle Menschen kennengelernt habe.

Konntest Du Spanisch oder wie lief das Studium?

Mein Spanisch war ehrlicher Weise sehr schlecht bis nicht vorhanden. Ich hatte mich im Vorfeld zu zwei VHS Kursen angemeldet, war aber selten da, weil immer wieder Jobs rein kamen. Vor Ort gab es eine Spanisch Lehrerin bei der ich neben den Seminaren täglich noch Spanischunterricht hatte. Nach ca. drei Monaten konnte ich mich dann recht gut verständigen!

Und zurück in Deutschland?

Da hatte ich das Gefühl, dass die Uni in Dortmund mir zu dem Zeitpunkt nicht mehr viel bieten konnte was mich weiter bringt, deshalb habe ich mich an der Hamburg Media School für den Masterstudiengang Bildgestaltung beworben. Die Ausbildung sollte als „Durchlauferhitzer“ funktionieren. Diese Zeit war sehr intensiv und ich konnte auch nicht nebenbei arbeiten, das hatte zumindest den Vorteil, dass der Schritt zur Identifikation als Kamerafrau / Bildgestalterin klar vorgegeben war und ich nicht mehr in Versuchung geriet doch noch Assistenzjobs anzunehmen.

Kamerafrauen haben es nicht leicht, sie sind in der deutschen Film- und Fernsehbranche unterproportional beschäftigt.
Dazu kommt – wie mir immer wieder Kamerafrauen erzählen – die stereotype Frage: „Kann die das schwere Equipment überhaupt schleppen?“
Wie viel wiegen denn so die Kameras und Objektive, die Du und Deine Assistent:innen schleppen müsst? In Kilo, oder vielleicht im Gewicht eines Kleinkinds?

Ja das stimmt leider. Ich glaube aber das grundsätzliche Problem liegt nicht unbedingt daran das Frauen nicht zugetraut wird das Gewicht der Kamera zu händeln.
 Oftmals, besonders am Anfang der Berufslaufbahn sind Frauen etwas ehrlicher glaube ich und gehen offener mit Unsicherheiten oder Fragen zu Jobs um, wenn es Dinge sind die sie beispielsweise noch nicht gemacht haben. In Gesprächen mit meinen männlichen Kollegen ist mir aufgefallen, dass Männer oft die gleichen Unsicherheiten in sich tragen. Ich denke nur, dass sie größtenteils selbstbewusster damit umgehen und ins kalte Wasser springen und das nicht kommunizieren, was dazu führt, dass die Außenwahrnehmung ihrer Leistung höher ist. Das führt wiederum dazu, dass Frauen oftmals größere Produktionen nicht zugetraut werden und sie somit nicht die Chance bekommen sichtbar zu werden.

Die Frage mit dem Gewicht musste ich aber auch schon oft beantworten. Eine drehfertige Alexa wiegt je nach Zubehör um die 15 kg, so viel wie im Schnitt ein dreijähriges Kind. Der Nachteil mit dem Kind ist nur, dass in der Regel keine Assistent:innen dabei sind, die einem die Babyschale, die Windeltasche oder das Laufrad hinterher tragen, was diese Arbeit teilweise körperlich viel anspruchsvoller macht. Komischerweise fragt hier niemand, wie man das im Alltag so schafft…

Und ob das nicht ein Mann besser kann.

Genau!

Du bist 2014 schwanger geworden mit Deinem Sohn, da warst Du schon fast zehn Jahre als DoP unterwegs. Wie war das mit Deinen Projekten, hast Du die Schwangerschaft sofort der Produktion gemeldet oder sie verheimlicht?

Mein Plan war eigentlich, dass ich vor meinem ersten Kind meinen ersten langen Spielfilm gedreht haben wollte. Mit der Schwangerschaft 2014 hat das dann nicht mehr hingehauen, was mich auch deprimierte.


Somit hatte ich mich entschieden so wenig Leuten wie möglich von der Schwangerschaft zu erzählen, um auch nach der Geburt wieder so früh wie möglich loslegen zu können. Ich wollte bei Produktionen und Regisseur:innen nicht abgespeichert werden unter „nicht available wegen Kind“. Mit dieser Strategie hat das eigentlich ganz gut funktioniert.

Meine Schwangerschaft lief sehr unproblematisch, man sah sie mir auch bis zum 7. / 8. Monat mit weiten Oberteilen kaum an und so habe ich noch bis vier Wochen vor der Entbindung gedreht. Ich hatte u.a. einen Job als B-Cam beim Polizeiruf. Da durfte ich zu Beginn des Mutterschutzes, also sechs Wochen vor errechnetem Geburtstermin, nicht mehr weiter machen, weil der Produktion die rechtliche Grauzone zu unsicher war.

Nachdem unser Sohn geboren wurde haben wir recht schnell angefangen ihm zusätzlich zum Stillen Muttermilch über die Flasche anzubieten. Für uns hatte es den großen Vorteil, dass mein Mann dann auch übernehmen konnte und seine Rolle genauso wichtig wurde wie meine.

Eine befreundete Regisseurin, Inga Bremer, hatte mich angefragt mit ihr eine Imagefilmreihe in Süddeutschland zu drehen. Sie wusste von den Umständen und es war für sie und die Produktion kein Problem, was für mich und mein damaliges Selbstbewusstsein super war. Unser Sohn war zu Produktionsbeginn bei den Motivbesichtigungen ca. vier Wochen alt und während der Drehzeit ca. zwei Monate. Zu meinem Equipment gehörte nun eine akkubetriebene Milchpumpe und eine portable Kühlbox, die ich an jeden Netzstrom anschließen konnte. So konnte ich auch mal eben auf einer Fahrt von A nach B auf der Rückbank des Produktionsfahrzeugs Milch abpumpen.


Mein Mann ist mit unserem Sohn nach Süddeutschland mitgereist und wir haben zusammen gewohnt. Die beiden machten sich einen schönen Tag und holten regelmäßig die Milch von den Drehorten ab – das hat super funktioniert und war auch für die Bindung der Zwei phänomenal.


Vater und Sohn beim Setbesuch, Musikvideodreh Madsen – Küss mich (2015)

Auch das restliche Jahr hatte ich das große Glück viele „kleinere“ Produktionen und auch noch einen fiktionalen Kurzfilm für Junafilm unter der Regie von Julz Ritschel zu drehen. So hatte ich nicht das Gefühl von der Bildfläche verschwunden zu sein. Mein Mann hatte Elternzeit genommen und war sehr glücklich damit, und so konnte ich freiberuflich arbeiten und weiterhin auch Geld verdienen.

Und nach den Geburten? Wie lief es in den ersten Jahren als Deine Kinder klein waren?

Man muss ja in der Filmbranche immer wahnsinnig flexibel sein, dank meines Mannes und meiner Schwiegereltern bekommen wir das ganz gut hin. Die Schwiegereltern wohnen zwar 500 km entfernt, aber unterstützen uns regelmäßig und sie werden auch bei jeder Jobanfrage mit ins Boot geholt.

2017 habe ich dann meinen ersten Spielfilm gedreht, die Vorbereitung hierzu war glücklicherweise in unserer damaligen Bürogemeinschaft wo mein Mann seinen Schnitt- und Gradingplatz hatte mit unserer Kita direkt nebenan.

Was ist das für eine Bürogemeinschaft?

Die Bürogemeinschaft setzte sich damals aus folgenden Firmen zusammen: „Das Kind mit der goldenen Jacke GmbH“ -> Zusammenschluss von Produktion & Regie aus meinem HMS Jahrgang, Lena Krumkamp, eine befreundete Autorin aus unserem HMS Jahrgang und die Eichholz Film GbR, die damalige Produktionsfirma von Lars Jessen, und mein Mann und mir mit unserer Filmwiese GbR.

Wir hatten damals als Freundeskreis und gleichzeitige Kollegen diese Location gesucht und nach über einem Jahr Suche auch gefunden. Nachdem wir alles selber renoviert hatten, konnten wir die Etage in Hamburg Bahrenfeld beziehen. Unser Sohn war natürlich immer mit uns vor Ort, wurde auf dem grossen Schnittisch gewickelt und hat dort quasi laufen gelernt. Es war eine schöne Stimmung – jeder hat sich auch mal ein Päuschen mit ihm gegönnt so das wir alle zusammen sehr gut arbeiten konnten.

In dieser Konstellation haben wir dann auch unseren Debutfilm vorbereitet, da führte Esther Bialas Regie.

2018 kam dann unsere Tochter zur Welt und sie durfte mit vier Wochen schon mit uns auf Kinotour gehen um unseren Film zu präsentieren. Der Große blieb zu Hause bei Opa und Oma. Solange die Kinder noch nicht schulpflichtig waren ließ sich das ganz gut organisieren. Gleichzeitig war es wichtig, dass zumindest ein Elternteil oder Opa und Oma vor Ort waren und auf die Kinder aufpassten. Eine Nanny am Set oder übermäßig lange Kitatage hätten sie nicht mitgemacht.

Im 7. Monat schwanger am Set vom Musikvideodreh Lovespells – Another World (2018), Regie: Julz Ritschel..

In den meisten meiner Produktionen als die Kinder noch so klein waren arbeitete ich mit Regisseurinnen oder Produktionen die ich schon kannte, so dass ich nicht das Gefühl hatte ich müsste etwas beweisen. Trotzdem war der Druck hoch, und den habe ich mir selbst gemacht, da ich natürlich am liebsten zu 120% für das Projekt da sein wollte.

Wie waren bzw. sind die Reaktionen von Produzent:innen und beteiligten Filmschaffenden auf Deine Familienverpflichtungen?

Glücklicherweise habe ich sehr viel Positives in der ersten Zeit erlebt, meine befreundeten Regisseurinnen haben mich total bestärkt und mir das Vertrauen geschenkt die Jobs machen zu können, obwohl die Kids noch sehr klein waren.
Generell nutzte ich die normale Mittagspause um Milch abzupumpen – Stillpausen gab es keine, wobei ich vielleicht hätte danach fragen können?

Ja, das ist zumindest Dein Recht nach dem Gesetz.

Stillzeiten im 1. Jahr: Ihr Arbeitgeber muss eine Mutter zum Stillen freistellen, wenn sie das mündlich oder schriftlich verlangt für mindestens 2 x 30 min. oder 1 x 60 min am Tag. Die freigestellte Zeit muss weder nachgearbeitet, noch auf die Ruhepausen angerechnet werden. Der Lohn darf wegen Stillzeiten nicht gekürzt werden.“ Quelle Familienportal des BMFSFJ

In späteren Produktionen habe ich das auch anders erlebt, da wurde schon beim ersten Kennenlernen sehr kritisch gefragt, wie wir das denn mit der Kinderbetreuung organisieren. Ich bin der festen Überzeugung, wäre ich ein Mann, dann wäre mir die Frage nicht gestellt worden.

Wenn man nicht so abhängig wäre von den Jobs sollte man erwidern „gute Frage, was bieten Sie als Produktion an?“

Ja, absolut – das würde ich heute vielleicht auch so machen?!

Wie kriegt Ihr, Du und Dein Partner, heute die Vereinbarkeit von Euren jeweiligen Berufen und Eurer Familie hin?

Mein Mann, Frank Schumacher, arbeitet in der Postproduktion als Editor und Colorist. Er war lange beim SWR 
als fester freier Mitarbeiter. Mittlerweile hat er dort eine feste 50% Stelle und zusätzlich haben wir noch zusammen die Filmwiese Filmproduktion GbR.

Die Herausforderung liegt darin, dass der SWR in Mainz ca. 500 km von unserem Wohnort Hamburg entfernt liegt, d.h. dass er meist blockweise dort arbeitet. Wir sprechen uns mit meinen Projekten ab und er versucht dann seine Blöcke in die Zwischenräume zu schieben. Sollte es Überschneidungen geben, helfen oft glücklicherweise die Großeltern aus, die dann aus der Heimat anreisen.


Wenn ich während der Schulferien drehe nimmt mein Mann häufig die Kids mit runter zu seinen Eltern und arbeitet beim SWR, und Oma und Opa passen währenddessen auf unsere Kinder auf. Das funktioniert gut – ist aber ein ganz schöner Organisationsaufwand.


Bevor unser erstes Kind zur Welt kam hatte ich mir das ganz anders vorgestellt. Wir hatten extra eine Krippe ausgewählt wo die Kinder bis zu 10 Stunden betreut werden konnten und so dachten wir, dass wir so sehr flexibel mit unseren Arbeitszeiten sein könnten.
In der Praxis sah das dann aber so aus, dass wir diese 10 Stunden nie ausgenutzt haben, da die Kinder es gar nicht durchgehalten hätten, so lange von ihren Bezugspersonen getrennt zu sein, zusätzlich zu dem ständigen Trubel. So haben wir es stattdessen so organisiert, dass immer ein Familienmitglied „in charge“ war, auch um auf unvorhergesehene Krankheiten oder Betreuungsausfälle zu reagieren.
Eine Nanny hatten wir nie ausprobiert, ich glaube das hätte auch nicht gut funktioniert, da unsere Kids eher schüchtern waren und sehr auf uns und die Großeltern fixiert sind.
Gerade wenn wir abwechselnd in regelmäßigen Abständen länger weg sind, ist es für die Kids um so wichtiger, das andere Elternteil als ständige Bezugsperson bei sich zu haben.

Wenn Du ein neues Projekt beginnst, interessierst Du Dich für die Familien(verpflichtungen) Deiner Kolleg:innen?

Ja, unbedingt! Ich finde einen offenen Umgang damit wichtig, denn wir sitzen doch alle in einem Boot! Ein Austausch darüber kann ja auch helfen schon frühzeitig bei auftauchenden Engpässen gute Lösungen zu finden. Es gab schon öfters Situationen, wo mich meine Kolleg:innen angesprochen hatten, wenn sie kurzfristig ausfallen oder weil ein Kind Geburtstag hatte oder ähnliches. Mich freut das sogar, denn es hebt den Stellenwert der Familie. Für alles können Lösungen gefunden werden, und ich glaube auch, dass niemand unersetzlich ist bei der Filmherstellung.

Hast Du Vorbilder was Vereinbarkeit in der Filmbranche betrifft, oder bist Du selber Vorbild oder Inspiration für Kolleginnen, bzw. hast den Anspruch das zu sein?

Puh, das ist eine schwierige Frage. Konkrete Vorbilder kann ich da so gar nicht benennen. Ich freue mich aber, dass die Thematik auch dank dir, liebe Belinde immer mehr in den Fokus gerät und darüber gesprochen wird. Als Teil der Cinematographinnen, (einem Netzwerk aus freischaffenden Kamerafrauen aus dem europäisch deutschsprachigen Raum) versuche ich mich mit Kolleginnen auszutauschen und meine Erfahrungen zu teilen und freue mich zu hören wie andere das machen. Ich muss aber auch traurigerweise sagen, dass ich einige sehr talentierte Kolleginnen kenne die den Beruf der Kamerafrau nicht weiter ausüben, da sie das aufgrund ihrer jeweiligen Partnerschaft oder nicht vorhandener Familienunterstützung nicht hinbekommen haben.

Ich bin meinem Mann sehr dankbar, denn er hat mir immer den Vortritt gelassen wenn es um parallele Projektanfragen ging. Dadurch hat er Sachen abgesagt die ihn vielleicht auch weiter gebracht hätten, jedoch war das bei uns nie ein Thema. Und das ist nicht selbstverständlich, denn viele Männer haben leider viel zu große Egos.

Gibt es familienfreundliche Maßnahmen, die Du besonders unterstützenswert findest, und Dir auch vielleicht gewünscht hättest, als Deine Kinder geboren wurden oder noch ganz klein waren?

Ich finde die Idee der „hybriden“ 4-Tage Woche wirklich erstrebenswert, denn so hätte man die Möglichkeit die Vorbereitungsarbeit die jetzt auf den Wochenenden liegt schon vorher zu erledigen. Somit hätte man die Chance auf ein echtes Wochenende was sicherlich die Work-Life-Balance von allen verbessern würde. Natürlich kann ich das nicht nur für mich verhandeln sondern das Angebot müsste von der Produktion kommen.

Das Thema Jobsharing finde ich ebenso spannend, und könnte mir das auch für mein Team gut vorstellen. Auch wäre es für mich denkbar beim passenden Projekt mir die Position der DoP mit jemandem zu teilen, den ich gut kenne und Vertrauen in ihre/seine Arbeit habe. Dazu muss es eine gute gemeinsame Vorbereitung geben und vor allem eine Regie die sich das genauso gut vorstellen kann. Bisher hatte ich aber noch keine Gespräche mit Produzenten oder Regisseur:innen dazu.

Du arbeitest auch international und hast eine beeindruckende Liste von Auslanddrehs in Deiner Vita: Costa Rica, Kuba, Tansania, Oman, Italien, Spanien, UK, Liechtenstein, Österreich, Polen, Schweiz, Russland, USA… Ist das weiterhin möglich mit bald zwei Schulkindern?

Die meisten Auslandsdrehs und Aufenthalte kommen noch aus der Zeit wo die Kids noch nicht da waren. Ich würde das aktuell nicht ausschließen denn letztendlich funktioniert unsere Aufteilung so, dass ohnehin einer immer vor Ort ist da unser Sohn schon seit 4 Jahren schulpflichtig ist. Vorletztes Jahr habe ich eine Serie in Österreich gedreht, da war es natürlich auch nicht möglich jedes Wochenende nach Hause zu fahren. Ich würde darauf achten das ich nicht zwei solcher Projekte unmittelbar hintereinander annehme, aber ansonsten kommt dann ja wieder die projektfreie Zeit die das dann wieder ausgleicht und wo man mehr Zeit in die Familie investieren kann als Eltern mit einem herkömmlichen 9 to 5 Job.

Und zum Schluss ein Ausblick: wie kann sich die Filmbranche besten- oder schlechtestenfalls entwickelt haben wenn Deine Kinder Anfang 20 sind und womöglich auch einsteigen wollen?

Ha, das ist eine gute Frage wo und wie sich die Filmbrache hinentwickelt? Ich hoffe auf jeden Fall auf bessere und familienfreundlichere Arbeitsbedingungen, eine gute Auftragslage und dass man dann auch davon leben kann.
Für meine Kinder wünsche ich mir, dass sie etwas machen können was sie glücklich macht und sie erfüllt. Ob das dann in der Filmbranche sein wird, da bin ich mir nicht so sicher, das müssen sie selbst herausfinden…

Am Set der „Pfefferkörner“ (2021)

Liebe Chrissi, ganz herzlichen Dank für diese Einblicke und Dir und Deiner Familie weiter alles Gute!


Titelbild Christiane Buchmann mit Sohn am Set, 2015. Foto privat.

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